Mittwoch, 17. Dezember 2025
Von der Flucht zum Miteinander
Weihnachtsbotschaft der Evangelischen Mission in Solidarität
Liebe Schwestern und Brüder,
mit unserem Weihnachtsgruß aus der EMS-Geschäftsstelle wünschen wir Ihnen ein gesegnetes Weihnachten und ein friedliches neues Jahr.
Pfarrer Dr. Dieter Heidtmann
Generalsekretär der Evangelischen Mission in Solidarität
Von der Flucht zum Miteinander
Das Glasfenster „Die Anbetung der Weisen“ in der Christuskirche der TheodorSchneller-Schule am Stadtrand von Amman hat eine wechselhafte Geschichte. Es ist eine Geschichte, die von Flucht, aber auch hoffnungsvollem Neuanfang erzählt.
1910 wurde das Glasfenster von der Gemeinde der Leipziger Lutherkirche für die Kirche des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem gespendet. Die Einrichtung – Vorläuferin der Schneller-Schulen – war kurz zuvor bis auf die Grundmauern abgebrannt und wurde mit Hilfe zahlreicher Spenden mühsam wieder aufgebaut. Doch nur 30 Jahre später – während des Zweiten Weltkriegs – zog die Britische Armee in das Gebäude ein. 1948 übernahmen es die Israelis als Kaserne. Das Fenster, wie auch anderes Inventar, wurde daraufhin auf dem Ölberg in Ostjerusalem zwischengelagert.
Schließlich fand das Glasfenster 1962 seinen Weg nach Jordanien an die neu gegründete Theodor-Schneller-Schule. Im Jahr 2007 wurde es dort aufwendig restauriert. Die drei Weisen – oft als Könige gedeutet – waren nach langer Reise endlich an ihrem Ziel angekommen.
Einer der Könige, der mit dem Weihrauchfass, kniet bereits betend vor Maria mit dem Jesuskind, das ihm die Arme entgegenstreckt. Die beiden anderen halten noch respektvoll Abstand. Im linken Teil des Dreifachfensters: Joseph, sowie ein weiterer Mann und ein Junge – vermutlich Hirten. Ganz oben in der Mitte: der Stern von Bethlehem, dessen heller Strahl auf Maria und vor allem auf das Kind fällt.
Dieser Stern, winzig klein und leicht zu übersehen, hat nicht fünf oder acht Zacken wie üblich, sondern sechs – es ist der „Schild Davids“, das alte jüdische Symbol. So wird der Stern von Bethlehem zum verheißenen „Stern Jakobs“ aus 4. Mose 24,17: In seinem Licht ist das Jesuskind nur jüdisch denkbar – und verbindet Juden und Christen.
Im Predigttext zum Epiphaniasfest heißt es, „dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium“ (Epheser 3,6). Dieses „Mit-“ ist grundlegend für christliche Existenz: Christinnen und Christen aus den Heidenvölkern haben das biblische Volk Gottes nicht ersetzt, sondern sind ihm zur Seite gestellt – und dürfen so an Gottes Verheißung teilhaben.
So wie Juden und Christen zusammengehören, gehören auch „westliche“ Christinnen und Christen an die Seite ihrer Glaubensgeschwister in den Ländern der Bibel – an den Ursprungsorten des Christentums. Dass die einst „westlichen“ Kirchenfenster heute in arabischsprachigen Gottesdiensten ihren Platz haben, ist ein starkes Symbol dafür.
Im Heiligen Land, aber auch an anderen Orten der Welt, laden die Bildungs- und Fürsorgeeinrichtungen der EMS-Mitgliedskirchen Christinnen und Christen sowie Angehörige anderer Religionen ein, friedlich miteinander zu lernen und zu leben.
Wo aus Gegeneinander ein Miteinander wird – in gegenseitiger Annahme trotz aller Unterschiede – da ist Weihnachten. Da wird Gottes Hinwendung zu den Menschen an Epiphanias sichtbar. Und da dürfen auch die vielen Fluchtgeschichten unseres Jahrhunderts auf ein gutes Ende hoffen.
Pfarrer Dr. Uwe Gräbe
Fachbereichsleiter Nahost, Geschäftsführer EVS