Mittwoch, 11. Januar 2023
Protestantischer Zionsfriedhof in Jerusalem geschändet
Für interreligiösen Dialog, gegen religiösen Fanatismus

Anfang Januar wurden 30 Grabsteine auf dem historischen protestantischen Friedhof in Jerusalem verwüstet. Darunter auch der Grabstein des Gründers der Schneller-Schulen, Johann Ludwig Schneller. Die EMS und der Schneller-Verein setzen sich für eine Wiederinstandsetzung des Grabmals ein.
Aufnahmen von Sicherheitskameras zeigen, wie zwei junge Männer mit jüdischen Kopfbedeckungen am Neujahrstag den Zionsfriedhof betreten. Dann reißen sie Grabsteine um und beschädigen Gräber. Die Evangelische Mission in Solidarität (EMS) und der Evangelische Verein für die Schneller-Schulen (EVS) verurteilen diese Verwüstung auf das Schärfste und stehen solidarisch an der Seite ihrer christlichen Geschwister vor Ort. „Wir schließen uns dem Appell des Erzbischofs Dr. Hosam Naoum, dem Oberhaupt der anglikanischen EMS-Mitgliedskirche, an und hoffen auf eine konsequente Strafverfolgung durch die zuständigen Behörden. Gleichzeitig freuen wir uns, dass es jüngst eine große jüdische Solidaritätskundgebung gegeben hat“, so EMS-Generalsekretär Dr. Dieter Heidtmann. Die vielen zerstörten Kreuze deuten darauf hin, dass religiöser Fanatismus und Hass gegen Christen die kriminellen Handlungen motiviert hatten. Ein 14-jähriger und ein 18-jähriger Tatverdächtiger sind inzwischen von der israelischen Polizei festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht worden.
Der Zionsfriedhof wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt. Unter den zerstörten Monumenten findet sich auch der Grabstein von Johann Ludwig Schneller (1820-1890) und seiner Frau Magdalene (1821-1902). Der ausgewanderte Deutsche gründete 1860 das Syrische Waisenhaus und setzte so seine Idee der Erziehung zum Frieden und zum interreligiösen Dialog im Nahen Osten um. Ungeachtet ihrer Religion gab er Waisenkindern und Kindern aus armen Familien ein Zuhause und ermöglichte ihnen eine Schul- und Berufsausbildung.
Daneben wurde auch ein Marmorrelief auf dem Grabmal Samuel Gobats, des zweiten evangelischen Bischofs in Jerusalem (Amtszeit 1846-1879) in Stücke geschlagen. Unter Bischof Gobat, der selbst eine große Zahl an Schulen im Heiligen Land gegründet hat, hatte Schneller seinen Dienst in Jerusalem begonnen. Der Friedhof, der sich im Eigentum der anglikanischen Kirche befindet, wird von der Bischöflichen Kirche in Jerusalem und dem Mittleren Osten zusammen mit der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache zu Jerusalem genutzt.
„Bereits in den zurückliegenden Jahren gab es in Israel zahlreiche Vorfälle von Hasskriminalität gegenüber Christen und ihren Einrichtungen. Dennoch sollte es nicht darum gehen, ein juristisches Exempel an fehlgeleiteten Jugendlichen zu statuieren. Vielmehr sollten die Talmudschulen mit extremer politischer Gesinnung, an denen diese Jugendlichen erzogen werden, in den Blick genommen werden“, erläutert Dr. Uwe Gräbe, EVS-Geschäftsführer und EMS-Nahostverbindungsreferent. Auf dem Zionsfriedhof hatten zuletzt 2013 orthodoxe Talmudschüler zahlreiche Kreuze zerschlagen und das Schneller-Grab beschädigt. „Dieses Mal wurde nicht nur das Kreuz abgeschlagen, sondern die gesamte obere Steinplatte des Grabmals auf ein Nachbargrab geworfen. Ich bin froh, dass die EMS sich zusammen mit dem Schneller Verein um die Reparatur kümmern wird“, so Gräbe.
Schon seit vielen Jahren setzen sich EMS und EVS für interreligiösen Dialog und Versöhnung ein. Neben den Schneller-Schulen im Libanon und in Jordanien bietet sie an der Near East School of Theologie (NEST) interreligiöse Studiengänge im Mittleren Osten an.