Sonntag, 14. Dezember 2025
Stärkend und Bereichernd
Partnerschaften im Kontext der EMS-Kirchen
Mission lebt von persönlichen Begegnungen und dem gegenseitigen Austausch. Sie braucht den ökumenischen Weitblick und die ökumenische Zusammenarbeit, wenn sie sich als Teil von Gottes Handeln in dieser Welt versteht. Partnerschaften auf Kirchen- und Gemeindeebene spielen dabei eine wichtige Rolle.
Eine Gruppe mit Teilnehmenden aus Ghana und Deutschland stapft durch den spätsommerlichen Pfälzerwald. Försterin Simone Kiefer führt die Gruppe durch das Biosphärenreservat und beantwortet die vielen Fragen. Ja, Waldbrände werden allmählich ein wichtiges Thema in der Pfalz. Wilderei sei eigentlich kein Problem, aber der Müll, den viele Menschen im Wald hinterlassen, sei ein Problem, ebenso der Klimawandel. Irgendwann hält die Försterin inne, wendet sich an die Gruppe und sagt: „Erzählen Sie mir doch mal von Ihren Wäldern, ich war noch nie in Ghana!”
Am Abend dieses Tages sitzen Ghanaer und Deutsche gemeinsam zusammen und lesen in der Bibel. Die Bemerkung fällt: „Also, in dem Vers hier geht es doch um die Vögel unter dem Himmel. Aber hier im deutschen Wald habe ich kaum Vögel gesehen und auch auf den Feldern sehe ich kaum welche. Das ist bei mir zu Hause anders. Vielleicht sollte man sich in Deutschland mal Gedanken machen, wo die Vögel noch ihren Lebensraum haben, wo sie ihre Nahrung finden.“
Schließlich, am letzten Tag des Besuches, denken Ghanaer und Deutsche gemeinsam darüber nach, was ihnen besonders in Erinnerung bleiben wird. Und ein Koffer mit Erinnerungen füllt sich: Mit Besuchen und Begegnungen in den Gemeinden, mit Gottesdienstfeiern, mit Bildern von alten Kirchen. Aber auch mit der Erinnerung an die vom Klimawandel geschädigten Bäume im Wald, eine Bewässerungsanlage auf den Feldern in der Rheinebene und das Staunen darüber, wie viel Solarstrom in Deutschland produziert wird, obwohl es hier vergleichsweise wenig Sonne zu geben scheint.
Zehn Christinnen und Christen aus der Presbyterianischen Kirche von Ghana (PCG) waren im September 2024 zu Gast bei ihren evangelischen Partnergemeinden in der Evangelischen Kirche der Pfalz (EKP). Der dreiwöchige Besuch wurde vom Missionarisch-Ökumenischen Dienst (MÖD) der Pfälzer Landeskirche und deutschen Mitgliedern der Partnerschaftsgruppen organisiert.
Voneinander zu lernen – das wurde in dieser Gruppe immer wieder als wichtiger Faktor in Partnerschaften benannt. Und dass es bei einer Reise natürlich auch um Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse geht, da stimmen alle zu. Aber egal ob Deutsche oder Ghanaer, sie alle haben viel über Natur- und Umweltschutz, nachhaltige Landwirtschaft und Artenvielfalt gelernt. Wie sie das Wissen und die Eindrücke in ihren jeweiligen Gemeinden praktisch nutzen könnten, überlegen sie am Ende noch einmal gemeinsam und fangen an, zusammen Ideen für Konfi- und Jugendprojekte oder die Nutzung von Solarenergie in den Gemeinden zu entwickeln.
Vielfalt und Freundschaft erleben
Voneinander zu lernen, Neues zu wagen und einander zu helfen: Das wird in Gesprächen mit Engagierten in der Partnerschaftsarbeit immer wieder als wichtige Motivation genannt, die Beziehungen zwischen den EMS-Mitgliedskirchen in sogenannten „Partnerschaften“ weiter mit Leben zu füllen. Eine Engagierte aus Südafrika formulierte es so: „Unser Ziel ist es, Vielfalt zu erleben, Freundschaft zu geben und zu empfangen, denn bei einer Partnerschaft geht es um Beziehungen und Zusammengehörigkeit. Deshalb schließen wir uns zusammen, um uns auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.“
Und in der Satzung der EMS wird deutlich, dass es sich die Gemeinschaft der EMS zur Aufgabe gemacht hat, diese Beziehungen miteinander und untereinander zu stärken, und zwar: „durch gegenseitige Stärkung und Solidarität, wechselseitiges Lernen, gemeinsames Planen, Entscheiden und Handeln sowie Teilen von Ressourcen, Gaben und Fähigkeiten.“
Doch wie dieses gemeinsame Miteinander mit Leben gefüllt werden kann, findet natürlich viele unterschiedliche Ausformungen, so unterschiedlich wie die einzelnen Kirchengemeinden, Distrikte und Mitgliedskirchen eben sind. Es werden Besuche und Austausche organisiert, Gottesdienstliturgien ausgetauscht, persönliche Freundschaften gepflegt und diakonische Projekte vor Ort unterstützt. Einige Partnerschaften bestehen seit Jahrzehnten, andere erst seit kurzer Zeit. Manche stehen in regelmäßigen Kontakt zueinander und bei manchen ist nicht sicher, ob die Kanäle überhaupt noch bestehen oder in einen tiefen Dornröschenschlaf gefallen sind.
Die zentrale Frage für alle, die ihre Kontakte weiterhin pflegen oder neu aufnehmen wollen, ist: Wie kommen die Christ*innen der verschiedenen Kontexte in einen gleichberechtigten Austausch miteinander und welchen Themen, Aktionen und Projekten können sie sich widmen? Um einen gleichberechtigten Austausch und ein gemeinsames Lernen innerhalb einer ökumenischen Gemeinschaft umzusetzen, muss reflektiert werden, ob und wie sich in den Partnerschaften die Strukturen und Muster von Stereotypen und Machtasymmetrien zwischen dem sogenannten „globalen Norden“ und „globalen Süden“ widerspiegeln und wie ihnen begegnet wird.
Geschätzt gibt es 2.000 bis 3.000 evangelische internationale Gemeinden in Deutschland. Viele dieser Gemeinden sind von Pastoren aus der Region Westafrika gegründet worden. Auch die Presbyterianische Kirche von Ghana (PCG) hat zahlreiche Auslandsgemeinden, die in Deutschland verortet sind. Solche internationalen Gemeinden könnten gerade für die Beziehungen der Mitgliedskirchen der EMS untereinander wichtige Brückenbauer sein, da sie bereits Erfahrungen aus mehreren kirchlichen und kulturellen Kontexten mitbringen.
Anknüpfungspunkte für den Austausch
Am Beispiel der PCG und der deutschen EMS-Mitgliedskirchen lassen sich die Ansatzpunkte für Austausch und gegenseitiges Lernen ebenso darstellen wie die jeweils eigene kulturelle und geistliche Prägung, Herausforderungen und aktuelle Themen.
Die PCG ist eine junge Kirche. 59 Prozent ihrer Gemeindeglieder sind unter 30 Jahren. Das hängt nicht zuletzt mit der Demographie in Ghana zusammen und führt zu einer Kirche, in der die Jugend eine breitere Basis bildet als in Deutschland. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen könnten Anlass bieten, sich über die Rolle junger Menschen in den Kirchen auszutauschen und mit den Augen der anderen auf den jeweiligen Kontext zu blicken. Im gegenseitigen Austausch könnten verschiedene Ideen zur Partizipation von jungen Mitgliedern im Gemeindeleben und in den Entscheidungsgremien gesucht werden.
Themen, die in ghanaischen Gemeinden eine Rolle spielen könnten, sind Bildungsgerechtigkeit und -chancen, Gesundheitsversorgung, nachhaltige Landwirtschaft, Friedenserziehung und der interreligiöse Dialog. An all diesen Aspekten lassen sich Anknüpfungspunkte für gegenseitiges Lernen finden, da sie sich auch vor dem deutschen Kontext kritisch reflektieren lassen. Grundsätzlich lässt sich die Frage stellen, wie sich Kirchen in das Leben vor Ort einbringen und welche Rolle Religion in der Gesellschaft beim Thema Friedensförderung und Extremismusprävention spielt.
Die deutschen EMS-Mitgliedskirchen sehen sich mit anderen Herausforderungen und Entwicklungen konfrontiert. Die Mitgliedszahlen der Kirchen sinken. Dies bedeutet, dass sich die Landeskirchen in einem Transformationsprozess befinden und sich darauf einrichten, in Zukunft weniger Mitglieder und weniger Ressourcen zu haben. Vor Ort führt dies häufig zu Zusammenschlüssen von Gemeinden oder Kirchenbezirken. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Denn zwei Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder tendieren im Jahr 2022 laut einer Studie zum Austritt. Dabei wird als Hauptgrund Gleichgültigkeit gegenüber Religion und Kirche genannt. Die Relevanz der Kirche scheint also von vielen nicht (mehr) wahrgenommen zu werden.
Partnerschaftsgruppen könnten sich diesem Thema widmen und sich gegenseitig befragen, wo und wie Kirche jeweils relevant und sichtbar wird. Der gegenseitige Austausch über die Kontexte und Bedingungen von kirchlichem Leben kann zu neuen Ideen, Trost, Ermutigung oder Selbstreflexion in den Veränderungsprozessen auf deutscher Seite führen.
Die (Um-) Nutzung der Kirchengebäude ist in vielen deutschen Kirchengemeinden ein viel diskutiertes Thema. Partnerschaftsgruppen könnten sich Fragen nach Gebäuden und Gottesdiensträumen gemeinsam widmen und verschiedene Perspektiven beleuchten.
Ein großer Teil deutscher Kirchenmitglieder gibt soziale Motive für ihre Mitgliedschaft an: Dass die Kirche „sich für Solidarität und Gerechtigkeit in der Welt und die Zukunft der Menschheit einsetzt“, geben 43 Prozent als wichtige Motivation an. Damit ist ein Kernpunkt der Partnerschaftsarbeit berührt, gegenseitige Solidarität über Länder und Kirchengrenzen hinweg zu leben. Wie kann diese gegenseitige Solidarität und das Streben nach Gerechtigkeit von beiden Seiten gemeinsam zum Thema im kirchlichen Leben gemacht werden und in Projekten oder Aktionen Ausdruck und Öffentlichkeit gewinnen?
Pfarrerin Theresa Gilcher
Theresa Gilcher ist Pfarrerin der Evangelischen Kirche in der Pfalz.