Montag, 07. Juni 2021
Vandalismus auf evangelischen Friedhöfen in Beirut
EMS an der Seite ihrer libanesischen Geschwister

Am Vorabend des Fronleichnamstages erreichte uns die Nachricht von Pfarrer Dr. Habib Badr aus Beirut: Bereits einige Tage zuvor hatten Unbekannte auf den evangelischen Friedhöfen der Stadt Kreuze zerschlagen und Blumenvasen umgestürzt. Ein zerschlagenes Kreuz – das ist ein erschütterndes Bild, und es hat eine hohe symbolische Bedeutung; im Nahen Osten vielleicht mehr noch als anderswo.
Umso wichtiger ist daher die Erklärung, die Pfarrer Badr zugleich mit der Verurteilung solcher Übergriffe abgibt: In diesem Symbol geht es letztlich um Gott, wie er sich in Jesus Christus gezeigt hat, „der für uns gekreuzigt wurde, der denen vergeben hat, die ihn kreuzigten, und der zu unserer Erlösung von den Toten auferstanden ist“. Es geht also nicht in erster Linie um die Kirche, weder um die evangelische Gemeinde noch um die Weltchristenheit, und erst recht geht es nicht um einen Konflikt zwischen Religionsgemeinschaften.
Auch Stimmen aus den ebenfalls betroffenen evangelischen Auslandsgemeinden in Beirut sowie aus diplomatischen Kreisen mahnen, den Vorfall nicht als Ausdruck eines interreligiösen Konflikts zu deuten: Vielleicht war es ja auch nur eine Aktion gelangweilter Jugendlicher aus der Nachbarschaft. Jedenfalls kümmert sich jetzt die Polizei um die Angelegenheit, und Übergriffe gegen heilige Stätten werden von den libanesischen Behörden gemeinhin sehr ernst genommen.
Um was es bei solchen Vorfällen eigentlich geht, das spricht Badr am Schluss seiner Erklärung aus: Es geht darum, dass auch die evangelischen Christinnen und Christen im Libanon seit jeher libanesische Staatsbürger sind, und dass es das Verständnis libanesischer Citizenship selbst ist, welches durch solche Vorfälle – sollten sie sich wiederholen – Schaden nimmt. Denn auf diesem Friedhof liegen unter anderem ein libanesischer Staatspräsident aus der Zeit des Ringens um die Unabhängigkeit, ein herausragender Geist der Arabischen Renaissance des 19. Jahrhunderts, sowie der Komponist der libanesischen Nationalhymne. Diese Abfolge an Beispielen besitzt einige Wucht!
Als Evangelische Mission in Solidarität (EMS) teilen wir die Bestürzung unserer libanesischen Geschwister über die Störung der Totenruhe und verurteilen alle Akte des Vandalismus. Für die Familien derjenigen, deren Gräber beschädigt wurden, bitten wir Gott um Trost. Zugleich bekräftigen wir gemeinsam mit Pfarrer Dr. Habib Badr, dass Christinnen und Christen „nicht an Rache glauben“ und dass es „unsere Überzeugung ist, Böses nicht mit Bösem zu vergelten“.
Pressemeldung der National Evangelical Church of Beirut (NECB) vom 02.06.2021 im Wortlaut (Übersetzung: EMS)
Anschlag auf die Gräber der protestantischen Friedhöfe in Beirut
Auf die Friedhöfe der Nationalen Evangelischen Kirche (NECB) sowie der französischen und deutschen protestantischen Gemeinden in Beirut, welche an der Damaskus-Straße im Bereich des Stadtviertels Ras Al Naba‘ gelegen sind, wurde in der Nacht vom 27. auf den 28. Mai durch Unbekannte ein Anschlag verübt. Sechs Marmorkreuze wurden in Stücke geschlagen, und mehrere Blumenvasen wurden umgeworfen oder zerbrochen. Die Kirche hat unverzüglich polizeiliche Anzeige erstattet, so dass sich die Angelegenheit nun in den Händen der Sicherheitskräfte befindet.
Im Nachgang gab Dr. Habib Badr, leitender Pfarrer der NECB, die folgende Erklärung ab: „Als protestantische Gemeinschaft im Libanon und als eine evangelische Kirche in Beirut verurteilen wir solche Angriffe auf heilige Stätten und hoffen aufrichtig, dass sie sich nicht wiederholen werden.
Zugleich erklären wir, dass solcher Vandalismus weder negative Auswirkungen auf uns haben, noch unser religiöses Empfinden aufhetzen wird. Unsere evangelische Spiritualität wird hierdurch nicht erschüttert werden, weil wir nicht an Rache glauben, und weil es unsere Überzeugung ist, Böses nicht mit Bösem zu vergelten. Wir verurteilen jeglichen Einsatz von Gewalt zum Schutz unserer heiligen Stätten. Dagegen glauben wir an einen Gott, der für uns gekreuzigt wurde, der denen vergeben hat, die ihn kreuzigten, und der zu unserer Erlösung von den Toten auferstanden ist.
Was uns jedoch als libanesische Staatsbürger und als evangelische Christen am meisten schmerzt, ist die Erkenntnis, dass es in unserem Land Menschen gibt, die noch immer solche Akte des Vandalismus, des Hasses und der Zerstörung begehen, welche Schmerz und Leid über diejenigen bringen, deren verstorbene Angehörige in Frieden unter der Erde ruhen.
In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass auf demselben Friedhof einige bedeutende libanesische Persönlichkeiten beigesetzt wurden, die unserer Kirche, unserem Land und unserer Region in außerordentlicher Weise gedient haben. Unter anderem sind dies: der einstige Präsident der libanesischen Republik (zur Zeit des französischen Mandats), Dr. Ayoub Tabet, der große Boutros Al Bustani, ein herausragender Denker der Arabischen Renaissance des 19. Jahrhunderts, sowie der Komponist unserer Nationalhymne, Wadih Sabra.“