Freitag, 16. Dezember 2022
Wenn Gott den Menschen ganz nahe kommt
Gedanken zur Weihnachtskarte des chinesischen Künstlers He Qi

Wie sieht denn dieses Jesuskind aus? Und die Gestalten mit den grünen Gesichtern - sollen das etwas die Hirten sein? In der Tat: Diese Weihnachtskarte des chinesischen Künstlers He Qi ist ungewöhnlich. Jesus, Maria, Josef und die Hirten haben asiatische Gesichtszüge und selbst die Schafe und der Stier im Stall sehen anders aus als gewohnt. Aber wenn man sich dieses Bild ein wenig länger anschaut, stellt man fest. Eigentlich ist alles an seinem gewohnten Platz. Maria hält das Christuskind in ihren Armen, Josef leuchtet mit der Laterne, der Engel verkündet den Hirten große Freude und wie im Mittelalter hält Jesus den Reichsapfel als Zeichen seiner Herrschaft in der Hand.
„Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich …“, steht im Philipper-Hymnus, der die Menschwerdung Gottes besingt (Phil 2,6-7). Auf den Weihnachtskarten, die uns vertraut sind, sehen die Menschen in Bethlehem aus wie wir Mitteleuropäerinnen und Mitteleuropäer. Wenn in der Bibel steht, Gott ward uns gleich, dann ist es ja auch naheliegend, dass man ihn so darstellt wie uns. He Qi macht dasselbe für seine chinesischen Schwestern und Brüder: Gott wird uns Mensch gleich ...
Der chinesische Künstler He Qi wurde während der chinesischen Kulturrevolution in ein Arbeitslager verbannt. In dieser Zeit fand er in einer Zeitschrift das Bild der Madonna mit Kind des italienischen Künstlers Raffael und war davon so berührt, dass er begann, es nachts heimlich nachzumalen. Dabei vermischt er die traditionelle europäische Malerei mit chinesischer Volkskunst. Er will den Menschen, die um ihn herum leben, Christus ganz nahe bringen.
„Wir leben in einer Zeit, in der es viel Gewalt gibt. Es gibt wenig Ruhe. Wir müssen auf die Stimme des Himmels hören,“ schreibt He Qi. Ich finde diese Ruhe in dem unglaublichen Blau, das der Engel mit aus dem Himmel bringt und das die Menschen und Tiere im Stall umgibt. Der Stern von Bethlehem und Josefs Laterne verbreiten ein warmes Licht. Ruhe und Geborgenheit verbinden Maria und das Kind.
Gott ist Mensch geworden und verbreitet einen himmlischen Frieden in dieser unruhigen Welt. Ach, würde er das dieses Jahr doch auch wieder tun! Würde er doch Frieden schaffen in dieser unfriedlichen Welt. Sehnsüchtig blicke ich mit den Hirten hinauf in den Himmel und sehne mich nach der Botschaft der Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Möge Gott Ihnen allen an Weihnachten ganz nahe kommen!

Dr. Dieter Heidtmann
EMS Generalsekretär