Mittwoch, 01. Oktober 2025
Keine Grenzen im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt
Eine internationale Konferenz beleuchtet strukturelle Ursachen, intersektionale Auswirkungen und gemeinsame Strategien zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt (GBV) in Südafrika und Deutschland.

„Kein Schweigen, keine Gewalt.“ (No silence, no violence.) – Dieser Aufruf zum Handeln richtet sich an Gesellschaften weltweit, um geschlechtsspezifische Gewalt (GBV) zu bekämpfen und zu verhindern. Teilnehmende der jüngsten Konferenz unter dem Thema „Südafrika und Deutschland in Solidarität: Gemeinsam gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ betonten, dass es wichtig ist, über dieses sensible Thema zu sprechen, um Opfer zu schützen, das Bewusstsein zu schärfen und weitere Übergriffe zu verhindern.
Zu diesem Thema veranstaltete die Evangelische Mission in Solidarität (EMS) gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Bad Boll und der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) vom 26. bis 28. September 2025 eine internationale Konferenz in Bad Boll.
Die Veranstaltung brachte Aktivist*innen, Künstler*innen, Theolog*innen und Jugendliche aus Deutschland und Südafrika zusammen, um Strategien auszutauschen, Überlebende zu hören und Räume für gemeinsames Engagement zu schaffen. Im Fokus stand das gemeinsame Engagement, beispielsweise bei Kampagnen, glaubensbasierten Aktionen, Jugendaustausch und inklusiver Advocacy, die alle Formen von GBV thematisieren. Die Teilnehmenden diskutierten Wege, diese Arbeit über die Konferenz hinaus in Gemeinschaften, Institutionen und das öffentliche Leben zu tragen. Ziel ist eine Welt, in der jeder Mensch sicher, gesehen und frei ist.
Bis jede Frau und jedes Mädchen ohne Angst leben kann
Eines der Referate hielt Nonhlanhla Anda Nkosi von der Evangelischen Brüder-Unität in Südafrika (MCSA). Sie ist auch Strategiedirektorin im Gesundheitsministerium der Provinz Western Cape.
Nkosi sprach über GBV als tief verwurzeltes Phänomen im Alltag und seine strukturellen Verbindungen zu Patriarchat, Armut und historischer Traumatisierung. „In Südafrika treffen Armut, ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht aufeinander und machen Frauen besonders verletzlich, während kulturelle Normen Betroffene oft zum Schweigen bringen und Täter schützen“, sagte sie.
Trotz eines starken rechtlichen Rahmens in Südafrika sehen sich Überlebende häufig mit Stigmatisierung und Infragestellung konfrontiert – insbesondere in ländlichen Gebieten, wo GBV als Privatsache gilt. Die MCSA reagierte mit der Gründung eines Lenkungsausschusses gegen GBV und Femizid, der sich auf Aufklärung, Schulung, Unterstützung von Überlebenden und Entwicklung von Richtlinien konzentriert. Trotz bestehender Herausforderungen – wie begrenzter Ressourcen und kulturellem Widerstand – machen zunehmendes Engagement der Gemeinschaft, Jugendaktivismus und internationale Solidarität Hoffnung auf Besserung.
Nkosi rief dazu auf, den Geist von Ubuntu (die Verbundenheit und gemeinsame Menschlichkeit – „Ich bin, weil du bist“) in den gemeinsamen Kampf gegen GBV zu tragen, „bis jede Frau und jedes Mädchen ohne Angst leben und ihr volles Potenzial entfalten kann.“

GBV und digitale Gewalt sind miteinander verbunden
In ihrem Vortrag über GBV in Deutschland griff Uta Hergenröther vom Berliner Büro der UN Women Deutschland viele der von Nkosi angesprochenen Aspekte auf. Hergenröther hob die allgegenwärtige Natur geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland hervor, die in patriarchalen Strukturen verwurzelt ist und durch gesellschaftliche Normen, Krisen und digitale Technologien verstärkt wird. Sie betonte, dass die meisten Gewalttaten von Männern aus dem nahen Umfeld der Opfer begangen werden, wobei häusliche Gewalt die häufigste Form darstellt.
Digitale Gewalt wie Cybermobbing, Hassrede und Stalking nehme rapide zu und verstärke oder erweitere häufig die Offline-Gewalt. „Digitale Gewalt ist kein digitales, sondern ein gesellschaftliches Problem“, so Hergenröther. Auch marginalisierte Gruppen – darunter Trans- und nicht-binäre Personen sowie Women of Color – sind durch intersektionale Diskriminierung (Benachteiligung, bei der mehrere Diskriminierungsmerkmale gleichzeitig wirken und sich gegenseitig verstärken) besonders gefährdet.
Die Folgen solcher Gewalt seien eingeschränkte Freiheit, reduzierte Teilhabe am öffentlichen Leben und Bedrohungen für die Demokratie. Besorgniserregende Statistiken aus dem Jahr 2023 zeigten steigende Zahlen bei Femiziden, sexualisierter Gewalt und politisch motivierter Frauenfeindlichkeit. Dennoch betonte Hergenröther: „Alle Frauen und Mädchen haben das Recht auf ein Leben frei von Gewalt und Angst.“
UN Women Deutschland fordert in ihrer Advocacy-Arbeit gegen GBV eine umfassende, sektorübergreifende Strategie, die rechtliche Reformen, Bildung, Medienverantwortung und die vollständige Umsetzung internationaler Konventionen wie der Frauenrechtskonvention CEDAW und der Istanbul-Konvention umfasst.
Solidarität als Weg nach vorn
David William Daniels, Koordinator für Jugendförderung bei der MCSA, betonte die Notwendigkeit eines gemeinsamen Engagements – insbesondere von Glaubensgemeinschaften in Deutschland und Südafrika – zur Bekämpfung von GBV durch aktive Solidarität, nicht nur symbolische Gesten. „Deutschland und Südafrika sind zwar durch Ozeane getrennt, aber durch einen gemeinsamen Willen verbunden: geschlechtsspezifische Gewalt zu beenden und gemeinsam in Solidarität auf Heilung und Transformation hinzuarbeiten“, so Daniels.
Die vielfältigen Stimmen von Aktivist*innen, Theolog*innen, Künstler*innen und Jugendlichen auf der Konferenz spiegelten ein lebendiges Beispiel gelebter Solidarität wider.
„Unsere Solidarität muss unsere Bequemlichkeit durchbrechen“, sagte Daniels. „Sie soll uns zum Handeln bewegen, denn die Welt ruft uns als Glaubensgemeinschaft zum Handeln auf.“ Er forderte die Teilnehmenden auf, ihr Engagement über die Veranstaltung hinaus in den Alltag zu tragen und langfristige Weggemeinschaften im Kampf für Gerechtigkeit, Würde und Sicherheit für alle zu bilden.
„Der Wert und die Notwendigkeit intergenerationeller und internationaler Konferenzen wurden mir erneut bewusst“, sagte Pfarrerin Eleanor McCormick, Leiterin der Abteilung Programme und Netzwerke bei der EMS. „Unsere Gespräche waren tiefgründiger und unsere Einschätzung möglicher Lösungen zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt war fundierter, weil wir einander über unsere Vielfalt hinweg wirklich zugehört haben.“
„Wir möchten in Kontakt bleiben und diese wichtigen Gespräche fortsetzen“, ergänzte Pfarrer Georg Meyer, Leiter der Abteilung Regionen und Missionswerke. „Der südafrikanische Kontext und die Erfahrungen der MCSA im Kampf gegen GBV und Femizid könnten wertvolle Ressourcen für andere Regionen und Netzwerke darstellen.“