Donnerstag, 05. Dezember 2024

Themenreihe: Tod und ewiges Leben

Entdeckungsreise in jenseitige Welten

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Unsere fünfteilige Reihe „Tod und ewiges Leben“ eröffnet faszinierende Einblicke in Bestattungsbräuche aus dem Umfeld der weltweiten EMS-Gemeinschaft. Viele dieser Rituale bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Christentum und traditionellen religiösen Überzeugungen. Die Kirchen nehmen dabei oft eine Vermittlerrolle ein. 

Alle Beiträge der Reihe erscheinen erstmals in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „EMS Einblick“. Sie wird von einem Redaktionsteam aus Afrika, Asien und Europa verantwortet und bietet internationale Perspektiven auf die Arbeit der EMS-Mitgliedskirchen und Missionsgesellschaften.

Verbindendes und Trennendes – Miteinander der Religionen

Sterbe- und Bestattungsriten sind so alt wie die Menschheit selbst. Jede Kultur und jede Religion hat ihre eigene Art, mit Verstorbenen und trauernden Angehörigen umzugehen. Dass diese Traditionen keineswegs starr sind, sondern miteinander in Verbindung treten können und einem dynamischen Wandel unterliegen, zeigt das Beispiel Südkorea.

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Das südostasiatische Land ist seit jeher ein Schmelztiegel verschiedener religiöser Strömungen wie Schamanismus, Konfuzianismus, Buddhismus und Christentum. Alle diese Religionen haben sich in Korea über Jahrhunderte gegenseitig beeinflusst und befruchtet. Besonders deutlich wird dies an den christlichen Bestattungsriten, bei denen Elemente aus verschiedenen religiösen Traditionen aufgegriffen wurden. Es gibt dabei viel Verbindendes, aber auch Trennendes.

Nach den bis ins 14. Jahrhundert zurückreichenden konfuzianischen Bestattungsbräuchen dauerte die Trauerzeit in Korea ursprünglich drei Jahre. Während dieser Zeit trugen alle Familienmitglieder die vorgeschriebene Trauerkleidung und befolgten bestimmte Riten. Wenn der Vater starb, er richtete der älteste Sohn neben dem Grab ein Zelt und lebte dort drei Jahre lang. Zu den Aufgaben des Sohnes während der dreijährigen Trauerzeit gehörte es, einen Altar zu errichten und regelmäßig Opfergaben wie Weihrauch, Speisen und Alkohol darzubringen. Auf diese Weise ehrte er den Vater und übernahm dessen Position als Familienoberhaupt.

Unter dem Druck der Moderne haben sich die Begräbnissitten in Korea stark verändert. Heute beträgt die offizielle Trauerzeit fünf, manchmal sogar nur drei Tage. Auch wird der Verstorbene meist nicht zu Hause, sondern in einer Leichenhalle aufgebahrt. Die aufwändige Erdbestattung wird häufig durch die einfachere Feuerbestattung ersetzt, wobei nicht selten Kostengründe ausschlaggebend sind.

DREI TAGE, VIER ZEREMONIEN

Die christlichen Bestattungsriten in Korea folgen einem festen Ablauf. Dieser Ablauf wurde aus den traditionellen konfuzianischen Bestattungsriten übernommen. Es gibt vier verschiedene Zeremonien, die sich über einen Zeitraum von drei Tagen erstrecken: Die erste Zeremonie, Imjong genannt, wird unmittelbar nach dem Tod des Verstorbenen abgehalten. Bei der zweiten, Ipkwon, wird der Leichnam in den Sarg gebettet. Die dritte Zeremonie, Balin, findet am Morgen des dritten Tages statt, wenn der Sarg mit dem Verstorbenen zum Friedhof gebracht wird. Hagwon ist die eigentliche Beisetzung des Sarges auf dem Friedhof oder die Einäscherung.

An dieser letzten Zeremonie nehmen in der Regel nur enge Freunde und Familienangehörige teil. Wenn eine ganze Familie christlich oder konfuzianisch ist, erübrigt sich die Frage, nach welchem Ritus Verstorbene bestattet werden sollen. Manchmal gehören jedoch Familienmitglieder unterschiedlichen Religionen an. Dies kann zu Unstimmigkeiten über die Art der Bestattung führen. Um Konflikte zu vermeiden, werden daher häufig nacheinander die Riten verschiedener Religionen abgehalten.

Viele christliche Bestattungsriten in Korea weisen interreligiöse Elemente auf.

So war es auch, als die Großmutter meiner Frau letztes Jahr mit über 90 Jahren starb (s. Foto oben). Sie und zwei ihrer Töchter waren christlich getauft. Drei ihrer Töchter und zwei ihrer Söhne folgten dagegen der konfuzianischen Tradition. Bei der Beerdigung fanden zunächst die traditionellen konfuzianischen Rituale mit Altar und Opfergaben statt. Alle christlichen Familienmitglieder hielten sich währenddessen im Hintergrund und beteten still. Als der christliche Pfarrer eintraf, wurden Weihrauch, Alkohol und Speisen vom Altar entfernt und das Kreuz, die Bibel und Blumen aufgestellt. Die meisten Familienmitglieder waren sowohl bei der konfuzianischen Zeremonie als auch beim christlichen Gottesdienst anwesend. So konnten alle auf ihre Weise trauern und der Verstorbenen die letzte Ehre erweisen.

Die konfuzianischen Bestattungsriten wurden von einer Frau geleitet, was in der konfuzianischen Tradition ursprünglich undenkbar gewesen wäre. Hier hat das Christentum großen Einfluss ausgeübt: Mit den christlichen Missionaren kam im 19. Jahrhundert unter anderem auch die Schulbildung für Mädchen nach Korea. Dies stärkte langfristig die Rolle der Frauen und eröffnete zunehmend neue gesellschaftliche Möglichkeiten, die ihnen in der patriarchalischen Gesellschaft Koreas bis dahin verwehrt geblieben waren.

Pfarrer Dr. Sigamoney Shakespeare 
Theologe und Religionspädagoge an der Yonsei-Universität in Südkorea

Lesen Sie auch Teil 3 der Serie „Tod und ewiges Leben“