Montag, 09. Dezember 2024
Themenreihe Tod und ewiges Leben
Entdeckungsreise in jenseitige Welten

Unsere fünfteilige Reihe „Tod und ewiges Leben“ eröffnet faszinierende Einblicke in Bestattungsbräuche aus dem Umfeld der weltweiten EMS-Gemeinschaft. Viele dieser Rituale bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Christentum und traditionellen religiösen Überzeugungen. Die Kirchen nehmen dabei oft eine Vermittlerrolle ein.
Alle Beiträge der Reihe erscheinen erstmals in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „EMS Einblick“. Sie wird von einem Redaktionsteam aus Afrika, Asien und Europa verantwortet und bietet internationale Perspektiven auf die Arbeit der EMS-Mitgliedskirchen und Missionsgesellschaften.
Tod in Sulawesi - Die Rituale der Toraja
Der Tod wird von den Toraja lediglich als Übergang in ein neues Leben verstanden. Das traditionelle Bestattungsritual ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Kultur und Identität. Dies hat sich auch durch die Christianisierung in Südsulawesi nicht geändert.
Die Toraja sind ein Volk auf dem Hochland Tanah Toraja in Südsulawesi (Indonesien). Wenn ein Toraja stirbt, gilt er zunächst als krank und nicht als tot. Der Leichnam wird schön gekleidet und im Haus bis zur Beerdigung aufgebahrt. Früher hat man dem körperlichen Zerfall mit Kräutern entgegengewirkt, heute hilft Formaldehyd. Das Begräbnis kann auch erst Monate oder sogar Jahre nach dem Tod erfolgen. Denn die Bestattungsfeier will gut organisiert sein und alle Verwandten nehmen daran teil. Und manchmal auch Gäste aus Übersee.
Als Ambe Arruan starb, der jahrelang Bürgermeister des Dorfes Te’tenai war, reiste Hans Heinrich aus Stuttgart an. Er war damals Indonesienreferent bei der EMS. „Ich war zur Trauerfeier des Verstorbenen im engsten Kreis vor Ort. Die Zeit bis zur Beerdigung wird mit dem Toten verbracht. Man setzt sich zu ihm ans Bett, teilt Essen oder eine Zigarette zusammen“, sagt Hans Heinrich. Auf die Bestattung wartete er bei seinem Besuch jedoch vergebens. Erst ganze neun Monate später waren die Vorbereitungen abgeschlossen – und Hans Heinrich kam für die eigentliche Bestattungszeremonie zurück nach Te’tenai. Mit großem Aufwand wurde der Tote in einem Felsengrab zur letzten Ruhe gebettet und mit Grabbeigaben für sein neues Leben im Jenseits ausgestattet.
GESCHENKE UND BLUTVERGIESSEN
Für die Ausrichtung einer Bestattung ist der gesellschaftliche Status der Familie des Verstorbenen ausschlaggebend. Je höher das Ansehen, desto ausgiebiger die Feier. Für die Trauergäste gehört es sich, Geschenke mitzubringen: Palmwein, Reis, Kaffee, Zucker oder Zigaretten bis hin zu Schweinen und Wasserbüffeln. Ein besonderer Höhepunkt ist das öffentliche Schlachten der Büffel und Schweine, früher zentraler Bestandteil des religiösen Teils des Rituals.
Die animistische und christliche Religion schließen sich für die Toraja nicht aus. Die Zeremonie wird durch Predigten einer Pfarrperson begleitet. Die Frage nach dem Umgang der Kirche mit diesem Ritual ist dennoch wichtig. Immerhin sind heute rund 80 Prozent der 600.000 Toraja in Südsulawesi Christinnen und Christen. „Die Kirche ist schon lange in einem tiefgreifenden Diskussionsprozess“, weiß Hans Heinrich. „Es gibt viele kritische Stimmen von jungen und alten Pfarrern, die die Bestattungszeremonie als kulturellen ‚Ballast‘ sehen und als überflüssig empfinden.“ In der Praxis arrangieren sich aber die meisten Kirchen damit. Sie haben erkannt, dass das Ritual wichtig ist für die Toraja – unabhängig von ihrer Religion. Würde die Kirche diese Bestattungspraxis ablehnen oder gar verbieten, würden ihr viele Toraja den Rücken kehren.
Lea Wirz
Mitarbeiterin im Team Öffentlichkeitsarbeit von Mission 21 (Schweiz).